Zinskritik - Falsche Antworten auf reale Probleme
Wer aufmerksam die Diskussionen in Internetforen verfolgt,
dürfte ihnen schon begegnet sein. Besonders im Zusammenhang mit der Finanz- und
Schuldenkrise kritisieren sie den Zins als Wurzel allen Übels. Als den
historischen Fehler, der Schuldner, ja ganze Staaten zu Sklaven der Banken
macht.
Die Idee der Zinskritik
Es ist angesichts der offensichtlichen Krise unseres
Wirtschaftssystems keine Überraschung, dass Alternativen gesucht werden. Dazu
muss natürlich klar sein, was genau die Fehler im jetzigen System sind. Die
Zinskritiker sehen eben jenen als Ursache für immer wachsende Verschuldung und
damit Abhängigkeit von Banken.
Im jetzigen System gäbe es keinen Ausweg aus der
Schuldenspirale. Bei den Erklärungen setzt man sehr oft auf eine starke
Vereinfachung, die ich hier daher übernehme: Es gibt eine Bank und zwei Bürger. Die Bank bringt das erste
Geld in den Wirtschaftskreislauf, indem sie beiden Personen 100 € leiht. Für
den Kredit verlangt sie Zinsen von 5 %.
Die zwei Bürger verfügen nun zusammen über 200€, müssen aber 210€
zurückzahlen. Da diese 10 € nicht existieren können niemals beide ihre Schulden
begleichen, sondern müssen weitere Kredite aufnehmen – sie werden abhängig.
Grundproblem der Theorie ist also: Das Geld, das Banken verleihen kann niemals
mit dem Zinsaufschlag zurückgezahlt werden. Dieses Geld existiert nämlich
nicht.
Die Bank kann auch verlieren
In dieser Theorie gibt es einige Denkfehler, da sie in ihrer
Vereinfachung vieles nicht berücksichtigt. Zum einen ignoriert sie
Kreditausfälle. Kann Person A also ihre Schulden nicht begleichen, ist sie
nicht ihr Leben lang Sklave einer Bank. Es besteht zum Beispiel die Möglichkeit
der Privatinsolvenz. Die Bank sieht nur einen Teil oder überhaupt nichts von
dem geliehenen Geld jemals wieder. Nehmen wir an, von dem Kredit hat sich
Person A bei Person B ein Fahrrad gekauft. Person A ist also dank Insolvenz
schuldenfrei und Person B kann ihren Kredit zurückzahlen – inklusive der
Zinsen. Das Geld, das übrig bleibt kann jetzt auch zur Begleichung weiterer
Zinsen genutzt werden. Es ist bereits im Wirtschaftskreislauf.
Was macht die Bank mit den Zinsgewinnen?
Natürlich fallen viele Kredite nicht aus, sondern werden
zurückgezahlt. Sonst würden Banken keinen Gewinn machen. Die Bank hortet dieses
Geld aber nicht in einem Tresorraum, der immer voller wird. Die Gewinne werden
ausgegeben: Um die Angestellten und Manager zu bezahlen, um den Aktionären eine
Dividende zu zahlen oder um Unternehmen zu kaufen. Diese Ausgaben fließen nun
also ALLE in den Geldkreislauf zurück. Die Angestellten der Bank kaufen von
ihrem Gehalt z.B. einen Fernseher. Der Fernsehhersteller kann mit dem
Zusatzgewinn nun problemlos den Kredit abbezahlen. Der Manager kauft sich eine
Yacht – damit kann der Hersteller der Yacht einen Kredit abbezahlen. Folgendes
Schaubild, stellt vereinfacht dar was mit den Zinsgewinnen geschieht.
Nun werden tatsächlich nicht alle Gewinne, die Aktionäre machen für den Konsum ausgegeben. Genausowenig wie es bei Aktionären der Realwirtschaft der Fall ist. Um nun eine Vermögenskonzentration in den Händen einiger zu verhindern ist eine Besteuerung nötig. Einerseits eine entsprechend hohe Einkommenssteuer, die auch bei Dividenden und anderen Kapitalerlösen greift. Aber es muss auch eine Vermögensteuer geben. Diese wird nicht auf das Einkommen erhoben, sondern auf das vorhandene Vermögen! Bei einem Steuersatz von 5% hätte der Staat so auch finanziell wieder Spielräume.
Natürlich kann die Bank auch weitere Banken oder Unternehmen von den Gewinnen kaufen. Damit erwirbt sie mit einer gewissen Größe auch politische Macht. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Banken die Politik dank ihrer Größe quasi erpressen können- „Too big to fail“ – die Banken waren angeblich zu groß zum Scheitern. Doch das ist kein Problem des Zinses. Jedes Unternehmen, das Gewinn macht kann sich vergrößern und damit möglicherweise zu mächtig werden. Es sollte Aufgabe der Kartellämter sein dies zu verhindern. Leider werden von diesen jedoch auch Fusionen riesiger Konzerne oder Banken viel zu oft genehmigt.
Natürlich kann die Bank auch weitere Banken oder Unternehmen von den Gewinnen kaufen. Damit erwirbt sie mit einer gewissen Größe auch politische Macht. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Banken die Politik dank ihrer Größe quasi erpressen können- „Too big to fail“ – die Banken waren angeblich zu groß zum Scheitern. Doch das ist kein Problem des Zinses. Jedes Unternehmen, das Gewinn macht kann sich vergrößern und damit möglicherweise zu mächtig werden. Es sollte Aufgabe der Kartellämter sein dies zu verhindern. Leider werden von diesen jedoch auch Fusionen riesiger Konzerne oder Banken viel zu oft genehmigt.
Geld aus dem Nichts?
Den Banken wird auch vorgeworfen Geld aus dem nichts
„erschaffen“ zu können. Dieser Kritik liegt zugrunde, dass Banken mehr Geld
verleihen können, als sie überhaupt besitzen. Dies stellt, wenn man die
vorhergehenden Erläuterungen berücksichtigt zunächst aber kein Problem dar.
Wichtig ist, dass die Banken nicht unendlich Geld verleihen können, sondern
klare Grenzen haben. Daher müssen Banken (in der Theorie) jeden Kredit mit
Eigenkapital unterlegen. Vor der Krise betrug das vorgeschriebene Eigenkapital
4%. Wollte eine Bank einen Kredit von 100€ vergeben, musste sie also 4€ als
Kapital besitzen. Diese 4 % mögen zu wenig gewesen sein, doch die gesetzliche
Pflicht, Eigenkapital zu besitzen, schränkt die Kreditvergabe ein. Banken
können also nicht unendlich Geld vergeben, dass nicht da ist. Die Zentralbanken
können bei der Kontrolle der Geldmenge natürlich berücksichtigen, dass für
jeden Euro, den sie den Banken zur Verfügung stellen, etwa das 25-fache in den
Wirtschaftskreislauf fließt.
Also alles in Ordnung?
In der Praxis haben die Eigenkapitalvorschriften versagt.
Durch die Deregulierung der Finanzmärkte konnten Banken die Regelung umgehen
und gigantische Summen an Kapital verleihen. Ein beliebter Trick: Den Kredit
gleich nach Abschluss an eine Zweckgesellschaft verkaufen. Damit wurde das
Eigenkapital wieder frei und es kann ein neuer Kredit vergeben werden. Dieser
kann abermals verkauft werden und so geht es lange weiter. Denn die
Zweckgesellschaften, die den Kredit kaufen, brauchen kein Eigenkapital.
Es wäre schön wenn alle Probleme im Zins lägen, dann hätten wir eine Lösung. Leider ist die Welt nicht so einfach. Und wer Zinsen verbieten will, sorgt dafür, dass normale Menschen sich niemals oder erst in hohem Alter ein Haus kaufen können. Denn keine Bank wird ihnen dann einen Kredit geben. Wer schon mit 30 oder 40 ein Haus haben will, müsste das Glück haben, Millionäre als Eltern zu haben. Zinsen haben also durchaus auch nützliche Funktionen.
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