"Die Preise müssen so hoch sein. Nur so sparen die Menschen Strom und die Energieffizienz steigt", widersprechen die anderen.
Beide Meinungen haben ihre Berechtigung. Durch die immer weitere Zusammenstreichung der sozialstaatlichen Leistungen und das desaströse Sanktionswesen seit den Hartz-Reformen haben die zwangsweisen Stromabschaltungen immer weiter zugenommen. Der steigende Preis tut sein übriges. Gleichzeitig steigt nicht zuletzt wegen der hohen Strompreise aber auch die Energieeffizienz und das Bewusstsein der Verbraucher über das Energiesparen schneller als beispielsweise in Frankreich. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, dass sich beide Ziele - Sozialverträglichkeit und Umweltschutz - nicht widersprechen müssen.
Der hohe Strompreis: Produkt von Zentralisierung und Monopolisierung der Stromwirtschaft
Der hohe Strompreis wird von liberaler und konservativer Seite oft instrumentalisiert um die Energiewende zu bremsen. Der Strom müsse bezahlbar bleiben. Doch auch wenn das umlagefinanzierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sicher seinen Anteil am Strompreis hat, ist dies nicht alleiniger Grund. Die meisten Verbraucher wären sogar bereit für regenerative Energien mehr zu bezahlen. Der hohe Preis ist in Deutschland jedoch zu einem großen Teil durch die unkontrollierte Expansion der großen Energieversorger begründet. E.on, Vattenfall, RWE und En.BW kontrollieren nicht nur die Netze, sondern auch den Großteil der Energieerzeugung mit konventionellen (hauptsächlich Kohle) und nuklearen Kraftwerken. Sie haben sich den Markt aufgeteilt und können die Preise an der Strombörse beeinflussen. Dieser hat längst nichts mehr mit dem tatsächlichen Erzeugerpreis für Strom zu tun.
Die Energieversorger machen Milliardengewinne auf dem Rücken der Kunden. Wenn der Strompreis aus ökologischen Gründen schon hoch sein soll; wieso sollten die Energiekonzerne deshalb solch exorbitante Gewinne einfahren?
Warum die freie Wirtschaft das Problem nicht löst
Mit Stromnetz und Energieerzeugung "aus einer Hand" besitzen die Versorger ein natürliches Monopol. Kein wagemutiger, innovativer Unternehmer könnte das Kapital aufbringen in ganz Deutschland ein eigenes Stromnetz zu bauen. Es wäre auch volkswirtschaftlicher Unsinn zwei oder drei konkurrierende Netze zu bauen, statt das bestehende zu modernisieren. Weil die momentan Besitzer der Netze aber unwillig sind in dieses genügend zu investieren, ist der Umstieg zu erneuerbaren Energien gefährdet. Statt zu investieren werden die Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet.
Vergesellschaftung und neue Preisstruktur
Dem Privatisierungswahn zum Trotz: Die Energienetze gehören vergesellschaftet. Nur so werden die nötigen Investitionen getätigt, erhalten Kommunale Versorger gleichberechtigten Marktzugang und nur so profitieren die Deutschen von den übrigen Gewinnen, statt einiger Aktionäre. Das Geld wird schließlich in anderen Bereichen dringendst gebraucht. Dass der Staat selbstverständlich Unternehmen führen kann zeigen auch andere Länder. Gazprom ist in Russland Quasi-Staatskonzern, und auch der französische Energieversorger EdF ist staatlich organisiert. Das bedeutet nicht Planwirtschaft und DDR; es geht lediglich darum eine Branche zu vergesellschaften, die ansonsten ein natürliches Monopol herausbildet. Solche Wirtschaftsmacht ist zu verhindern. So steht es im übrigen auch in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung:
Artikel 27 Landesverfassung NRWZum Abschluss selbstverständlich zurück zur Artikelüberschrift: Progressive Stromtarife
(1) Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.
(2) Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.
Wenn die Strompreise progressiv gestaltet werden bedeutet das folgendes: Der Grundbedarf an Strom, den jeder benötigt wird umsonst oder sehr günstig angeboten. Auch im Zuge der Energiewende wird von keinem Bürger erwartet auf Licht, Waschmaschine und Ofen zu verzichten. Steigt nun aber der Verbrauch, so steigt auch der Strompreis pro Kilowattstunde. Ein Beispiel:
Eine Familie, die keine Rücksicht auf ihren Stromverbraucht nimmt und sich unnötig zwei Heizlüfter anschafft, das Licht nachts brennen lässt etc. verbraucht dadurch doppelt so viel Strom, wie deren energiebewusster Nachbar. Sie zahlt dafür aber nicht nur das Doppelte, sondern - hier greift die Progression - z.B. das vierfache. Stromverschwendung wird also bestraft, während Stromsparer günstiger leben als zuvor. Ökologisch und sozial!