Dienstag, 20. März 2012

Kritik der Zinskritik


Zinskritik - Falsche Antworten auf reale Probleme

Wer aufmerksam die Diskussionen in Internetforen verfolgt, dürfte ihnen schon begegnet sein. Besonders im Zusammenhang mit der Finanz- und Schuldenkrise kritisieren sie den Zins als Wurzel allen Übels. Als den historischen Fehler, der Schuldner, ja ganze Staaten zu Sklaven der Banken macht.

Die Idee der Zinskritik

Es ist angesichts der offensichtlichen Krise unseres Wirtschaftssystems keine Überraschung, dass Alternativen gesucht werden. Dazu muss natürlich klar sein, was genau die Fehler im jetzigen System sind. Die Zinskritiker sehen eben jenen als Ursache für immer wachsende Verschuldung und damit Abhängigkeit von Banken.
Im jetzigen System gäbe es keinen Ausweg aus der Schuldenspirale. Bei den Erklärungen setzt man sehr oft auf eine starke Vereinfachung, die ich hier daher übernehme: Es gibt eine Bank  und zwei Bürger. Die Bank bringt das erste Geld in den Wirtschaftskreislauf, indem sie beiden Personen 100 € leiht. Für den Kredit verlangt sie Zinsen von 5 %.  Die zwei Bürger verfügen nun zusammen über 200€, müssen aber 210€ zurückzahlen. Da diese 10 € nicht existieren können niemals beide ihre Schulden begleichen, sondern müssen weitere Kredite aufnehmen – sie werden abhängig. Grundproblem der Theorie ist also: Das Geld, das Banken verleihen kann niemals mit dem Zinsaufschlag zurückgezahlt werden. Dieses Geld existiert nämlich nicht.

Die Bank kann auch verlieren

In dieser Theorie gibt es einige Denkfehler, da sie in ihrer Vereinfachung vieles nicht berücksichtigt. Zum einen ignoriert sie Kreditausfälle. Kann Person A also ihre Schulden nicht begleichen, ist sie nicht ihr Leben lang Sklave einer Bank. Es besteht zum Beispiel die Möglichkeit der Privatinsolvenz. Die Bank sieht nur einen Teil oder überhaupt nichts von dem geliehenen Geld jemals wieder. Nehmen wir an, von dem Kredit hat sich Person A bei Person B ein Fahrrad gekauft. Person A ist also dank Insolvenz schuldenfrei und Person B kann ihren Kredit zurückzahlen – inklusive der Zinsen. Das Geld, das übrig bleibt kann jetzt auch zur Begleichung weiterer Zinsen genutzt werden. Es ist bereits im Wirtschaftskreislauf.

Was macht die Bank mit den Zinsgewinnen?

Natürlich fallen viele Kredite nicht aus, sondern werden zurückgezahlt. Sonst würden Banken keinen Gewinn machen. Die Bank hortet dieses Geld aber nicht in einem Tresorraum, der immer voller wird. Die Gewinne werden ausgegeben: Um die Angestellten und Manager zu bezahlen, um den Aktionären eine Dividende zu zahlen oder um Unternehmen zu kaufen. Diese Ausgaben fließen nun also ALLE in den Geldkreislauf zurück. Die Angestellten der Bank kaufen von ihrem Gehalt z.B. einen Fernseher. Der Fernsehhersteller kann mit dem Zusatzgewinn nun problemlos den Kredit abbezahlen. Der Manager kauft sich eine Yacht – damit kann der Hersteller der Yacht einen Kredit abbezahlen. Folgendes Schaubild, stellt vereinfacht dar was mit den Zinsgewinnen geschieht.




Nun werden tatsächlich nicht alle Gewinne, die Aktionäre machen für den Konsum ausgegeben. Genausowenig wie es bei Aktionären der Realwirtschaft der Fall ist. Um nun eine Vermögenskonzentration in den Händen einiger zu verhindern ist eine Besteuerung nötig. Einerseits eine entsprechend hohe Einkommenssteuer, die auch bei Dividenden und anderen Kapitalerlösen greift. Aber es muss auch eine Vermögensteuer geben. Diese wird nicht auf das Einkommen erhoben, sondern auf das vorhandene Vermögen! Bei einem Steuersatz von 5% hätte der Staat so auch finanziell wieder Spielräume.

Natürlich kann die Bank auch weitere Banken oder Unternehmen von den Gewinnen kaufen. Damit erwirbt sie mit einer gewissen Größe auch politische Macht. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Banken die Politik dank ihrer Größe quasi erpressen können- „Too big to fail“ – die Banken waren angeblich zu groß zum Scheitern. Doch das ist kein Problem des Zinses. Jedes Unternehmen, das Gewinn macht kann sich vergrößern und damit möglicherweise zu mächtig werden. Es sollte Aufgabe der Kartellämter sein dies zu verhindern. Leider werden von diesen jedoch auch Fusionen riesiger Konzerne oder Banken viel zu oft genehmigt.

Geld aus dem Nichts?

Den Banken wird auch vorgeworfen Geld aus dem nichts „erschaffen“ zu können. Dieser Kritik liegt zugrunde, dass Banken mehr Geld verleihen können, als sie überhaupt besitzen. Dies stellt, wenn man die vorhergehenden Erläuterungen berücksichtigt zunächst aber kein Problem dar. Wichtig ist, dass die Banken nicht unendlich Geld verleihen können, sondern klare Grenzen haben. Daher müssen Banken (in der Theorie) jeden Kredit mit Eigenkapital unterlegen. Vor der Krise betrug das vorgeschriebene Eigenkapital 4%. Wollte eine Bank einen Kredit von 100€ vergeben, musste sie also 4€ als Kapital besitzen. Diese 4 % mögen zu wenig gewesen sein, doch die gesetzliche Pflicht, Eigenkapital zu besitzen, schränkt die Kreditvergabe ein. Banken können also nicht unendlich Geld vergeben, dass nicht da ist. Die Zentralbanken können bei der Kontrolle der Geldmenge natürlich berücksichtigen, dass für jeden Euro, den sie den Banken zur Verfügung stellen, etwa das 25-fache in den Wirtschaftskreislauf fließt.

Also alles in Ordnung?

In der Praxis haben die Eigenkapitalvorschriften versagt. Durch die Deregulierung der Finanzmärkte konnten Banken die Regelung umgehen und gigantische Summen an Kapital verleihen. Ein beliebter Trick: Den Kredit gleich nach Abschluss an eine Zweckgesellschaft verkaufen. Damit wurde das Eigenkapital wieder frei und es kann ein neuer Kredit vergeben werden. Dieser kann abermals verkauft werden und so geht es lange weiter. Denn die Zweckgesellschaften, die den Kredit kaufen, brauchen kein Eigenkapital. 
Es wäre schön wenn alle Probleme im Zins lägen, dann hätten wir eine Lösung. Leider ist die Welt nicht so einfach. Und wer Zinsen verbieten will, sorgt dafür, dass normale Menschen sich niemals oder erst in hohem Alter ein Haus kaufen können. Denn keine Bank wird ihnen dann einen Kredit geben. Wer schon mit 30 oder 40 ein Haus haben will, müsste das Glück haben, Millionäre als Eltern zu haben. Zinsen haben also durchaus auch nützliche Funktionen. 

5 Kommentare:

  1. "Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. (1943)
    Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden - in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch -, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht.
    Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich.
    Um zu wissen, wie wir der Dummheit beikommen können, müssen wir ihr Wesen zu verstehen suchen. Soviel ist sicher, daß sie nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind. Diese Entdeckung machen wir zu unserer Überraschung anläßlich bestimmter Situationen. Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, daß die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als daß unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich dumm machen lassen. Wir beobachten weiterhin, daß abgeschlossen und einsam lebende Menschen diesen Defekt seltener zeigen als zur Gesellung neigende oder verurteilte Menschen und Menschengruppen.
    …Daß der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat. Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen.
    …Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, daß nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte. Dabei wird man sich damit abfinden müssen, daß eine echte innere Befreiung in den allermeisten Fällen erst möglich wird, nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist; bis dahin werden wir auf alle Versuche, den Dummen zu überzeugen, verzichten müssen."

    Bis hierhin eine erstaunlich korrekte Analyse. Hätte sich Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) die Ursache der Dummheit bewusst machen können, wäre er kein Theologe mehr gewesen:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/07/der-zins-mythos-und-wahrheit.html

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  2. Das Zitat hilft in der Diskussion nun leider nicht weiter.

    Sicher bringen Zinsen durchaus Probleme mit sich und ich bin der letzte der das gegenwärtige Finanzsystem verteidigen würde. Aber es reicht nicht das Übel (fast) ausschließlich hier zu sehen.

    Die kapitalistische Produktionsweise bedingt das Vorhandensein eines Zinssystems durch ihr Bedürfnis nach immer neuen Investitionen. Diese können niemals aus gesparten Profiten allein finanziert werden. Und nur für eine Gegenleistung, nämlich den Zins, werden andere dieses Geld zur Verfügung stellen.

    Das gegenwärtige Modell führt in der Tat zu einer wachsenden Ungleichverteilung, vor allem zu wachsenden Staatsschulden. In der sogenannten Schuldenkrise zeigt es sich schon. Allein deshalb ist es nötig den Bankensektor in öffentliche Hand zu überführen, um dafür zu sorgen dass mögliche Gewinne auch komplett ausgenutzt werden, statt als Vermögen "gebunkert" zu werden.

    Vorhandene Vermögen sind zu besteuern, um der Ungleichverteilung entgegenzuwirken.

    Man muss sich aber unbedingt bewusst machen: Selbst wenn man den Zins verbieten würde, würde das niemals die soziale Frage lösen. Kapitalakkumulation liegt in der Produktionsweise begründet, nicht im Geldsystem.

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  3. @ "Anonym"

    Ich setze einen Link nicht, damit er von denen, die von sich glauben, sie wüssten schon was, "übersehen" wird.

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  4. Ich habe den Link gelesen und genau wegen solchen Äußerungen ist mir diese ganze Freiwirtschaftler-Clique zutiefst suspekt. In sich genauso dogmatisch und scheinbar allwissend, wie die alten KP-Kader.

    Marx wird weil er der eigenen Ansicht widerspricht, pauschal als unwissenschafltich abgestempelt - die MEW sind in vielen Punkten angreifbar und einiges hat sich als falsch erwiesen (vor allem was Staatsgestaltung angeht), aber unwissenscahftlich sind sie ganz sicher nicht.

    Und so ein Kram:

    "(Lutherbibel 1984 / Genesis_3,6) Und die Frau (Finanzkapital) sah, dass von dem Baum (Geldverleih) gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht (Urzins) und aß und gab ihrem Mann (Sachkapital), der bei ihr war, auch davon und er aß."

    erinnert mich nur an die Verschwörungstheoretiker im Netz, die in jeden Kram meinen etwas reinzuinterpretieren, um ihre Ansicht zu stützen - sei es noch so sinnlos. Eine festgefahrene Theorie haben und dann willkürlich Sachen rauspicken, die selbstverständlich alles beweisen - DAS ist unwissenscahftlich. Denn so findet man immer etwas und ignoriert alles was dagegen spricht.

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  5. "Ich habe den Link gelesen und genau wegen solchen Äußerungen ist mir diese ganze Freiwirtschaftler-Clique zutiefst suspekt."

    Zunächt einmal gibt keine "ganze Freiwirtschaftler-Clique", sondern auch hier gibt es eine Stufenleiter der Erkenntnis, von der Sie noch nicht die unterste Sprosse sehen und auch gar nicht erst sehen wollen.

    "Zutiefst suspekt" ist Ihnen lediglich, dass es kein einziges stichhaltiges Sachargument gegen die Freiwirtschaft und für den Marxismus gibt, sodass die Marxisten nur versuchen können, sich mit primitiver Polemik zu verteidigen.

    "Marx wird weil er der eigenen Ansicht widerspricht, pauschal als unwissenschafltich abgestempelt..."

    Der Marxismus ist nicht deshalb unwissenschaftlich, "weil er der eigenen Ansicht widerspricht", sondern weil er sich nach exakter wissenschaftlicher Prüfung als in jeder Hinsicht unwissenschaftlich erweist.

    "Und so ein Kram..."

    ...erklärt auch Ihre irrationale Abwehrhaltung gegenüber der einzigen Möglichkeit des zivilisierten Zusammenlebens, der Natürlichen Wirtschaftsordnung. Weil der "Unglaube" (Ignoranz) in Bezug auf die eigentliche religiöse Verblendung wirkungslos ist, sind die Marxisten genauso religiös wie alle anderen, die den Erkenntnisprozess der "Auferstehung aus dem geistigen Tod der Religion" noch nicht durchlaufen haben:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2011/07/die-ruckkehr-ins-paradies.html


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